Von den Mühen der Büchermacher

Der Buchmarkt scheint groß, Bücher gibt es viele, Orte, an denen Bücher gekauft werden können, auch. Wie geht den Verlagen, den Buchhandlungen, den Autoren? Und: Ist da noch Platz für neue Verlage und Buchprojekte?

Die guten Nachrichten zuerst: Der gesamte Buchmarkt – vom Autor über den Verlag und den Großhändler bis zur Buchhandlung – steigert seinen Umsatz Jahr für Jahr. Die Bundesregierung schätzt, dass 2008 etwa 15,2 Milliarden Euro im Buchmarkt umgesetzt worden sind. Auch die Anzahl der Autoren und Verlage steigt stetig an – 6474 selbständige Schriftsteller/innen und 2723 Verlage zählt das Bundeswirtschaftsministerium im Jahr 2008. Luft für neue Projekte scheint gegeben.

Auf die Realitäten des Marktes weist Claudia Paul, Pressesprecherin des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, hin. Im Börsenverein seien etwa 1800 Verlage organisiert, von denen 80 Prozent Klein- oder Kleinstverlage seien. Diese 80 Prozent erwirtschaften aber nur 20 Prozent des gesamten Umsatzes aller Verlage. Die 20 Prozent der größeren Verlage hingegen zeichnen für 80 Prozent des Umsatzes verantwortlich. Eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums von 2009 wartet mit noch genaueren Zahlen auf: Betrachtet man nicht nur die Verlage, sondern den gesamten Buchmarkt, waren in 2006 93 Prozent aller Firmen Kleinstunternehmen oder selbständige Schriftsteller Zusammen deckten sie einen Anteil am Gesamtumsatz des Buchmarktes von nur 16,7 Prozent ab. 34 Großunternehmen hingegen – das sind 0,4 Prozent aller Unternehmen – dominieren den Markt mit einem Umsatzanteil von satten 55 Prozent.

„Klein heißt nicht, dass man nicht erfolgreich ist.“ Claudia Paul macht trotz dieser Marktverteilung Mut. Für den Erfolg eines Verlages sei nicht nur das vorhandene Kapital entscheidend. „Der Verlags-Erfolg hängt immer auch damit zusammen, wie gut das Konzept ist. Man braucht ein gutes Programmkonzept, man braucht eine Vision und man braucht für eine Neugründung immer mehr eine Nische.“ Flexibilität sei ein großer Vorteil von jungen, kleinen Verlagen. Wichtig sei auch, „dass man originell ist und vielleicht auch einmal unkonventionelle Wege geht“.

Bücher werden teurer

83381 neue Bücher erschienen 2008. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 kamen zwanzigtausend Buchpremieren weniger auf den Markt. Die Buchbranche scheint zu blühen, doch Vorsicht! Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kommt in einer aktuellen Branchenanalyse zu dem Schluss, dass zwar der Umsatz im Buchhandel 2009 gestiegen sei, jedoch zugleich weniger Bücher verkauft worden seien als 2008. Die volleren Händlerkassen kämen allein durch Preissteigerungen zustande. Schon 2007 sah das Marktforschungsunternehmen GFK eine wachsende Lücke zwischen der Anzahl neuer Titel und den tatsächlich verkauften Büchern.

Die GFK-Forscher legten ihre Finger auch auf eine andere wunde Stelle. Die kleinen Buchhandlungen werden zwischen den Filialen der großen Ketten und der Abwanderung der Käufer ins Internet erdrückt: Wurden im Jahr 2000 Bücher von 41 von 100 Käufern in einer unabhängigen Buchhandlung erstanden, sehen die Marktforscher 2010 nur noch jeden vierten Buchkäufer in den Läden.

Ein anderes Problem ist das Leseverhalten gerade der jungen Menschen. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels weist darauf hin, dass nur ein Drittel der 20- bis 29-Jährige täglich oder mehrmals täglich Bücher lesen. Der Anteil der Viel-Leser ist seit der letzten Studie von 37 auf 33 Prozent gefallen. Allerdings schürt der Börsenverein auch gleich wieder Hoffnung, da die zunehmende Zahl der „Alten“ Leser, die Silver Generation, nicht nur wissbegierig, unternehmenslustig und recht wohlhabend, sondern auch noch gelernte Buchleser seien – und nicht Internetgeborene wie die Jungen.

Internet und Tablet-PC verändern die Branche

Das Internet beeinflusst nicht nur die Lesegewohnheiten der Jüngeren, es hat auch das Marketing, die Produktion und den Vertrieb der etablierten Verlage verändert. Ein Beispiel: Im Sortimentsbuchhandel wurden 2009 in Deutschland 5,1 Prozent mehr Umsatz im Vergleich zum Vorjahr im Bereich der Belletristik erreicht. Bei den Kinder- und Jugendbüchern kam noch mehr Geld in die Kassen des Handels – die Steigerungsrate betrug 8,4 Prozent. Zeitgleich sanken die Verkäufe im Laden bei den Sach- und Fachbüchern deutlich und teilweise dramatisch: Das Segment Sozialwissenschaften / Recht / Wirtschaft verzeichnete beispielsweise ein Umsatzrückgang von 15,5 Prozent.  Heißt das, dass weniger Menschen wissenschaftliche Titel kauften? Nein, sagt Claudia Paul. Aber der Vertriebsweg für Fachliteratur verlagere sich immer mehr auf die Online-Präsenzen der Verlage und zu den Online-Händlern.

Eine weitere Evolution, wenn nicht gar eine Revolution, erwarten Brancheninsider vom neuen Tablet-PC der Firma Apple, dem iPad. Dr. Thilo von Pape, er forscht an der Universität Hohenheim unter anderen zu mobilen und interaktiven Kommunikationstechnologien, geht von einer grundlegenden Veränderung im Buchmarkt aus: „Der Trend wird dahin gehen, dass durch den Tablet-PC von Apple das elektronische Publizieren Trend wird und das Buch sehr langsam das gleiche erleben wird wie die Schallplatte.“ Das Börsenblatt, das Organ des Börsenverein des deutschen Buchhandels, spekulierte Ende 2009, dass mit der Markteinführung des Apple-Geräts der bisher etablierte und recht kleine E-Book-Markt kippen würde. „Ein Gerät, das E-Reader, Surf-Tablet und Medienplayer in einem ist […] hätte gegenüber den E-Ink-Readern den unschlagbaren Vorteil, dass es nicht nur Bücher, sondern auch multimediale Inhalte wiedergeben kann.“ Dafür wären die Konsumenten auch bereit, einen hohen Gerätepreis zu zahlen. Der Verlag DuMont und die „Frankfurter Rundschau“ planten bereits die Kooperation mit Apple auf dem deutschsprachigen Markt.

Markt für Designbücher: schwierig und stabil

Es wird spannend. Auch das Designbuch habe, so Hans-Peter Copony, Geschäftsführer des Stiebner Verlags, mit schwierigen Markbedingungen zu kämpfen: „Mit einer Zielgruppe, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen hat, werden realistischerweise die Bäume 2010 nicht in den Himmel wachsen.“ Im Vergleich zu 2008 habe sich die Marktsituation in 2009 jedoch als stabil erwiesen. 2010 soll der Trend bei den Publikationen des Stiebner Verlags zu mehr Nutzwert gehen. Die Zukunft der Designbücher sieht Hans-Peter Copony relativ gelassen: „Die Kreativbranche ist sehr schnelllebig und die Sehgewohnheiten ändern sich rasant. Das Designbuch muss daher jederzeit auf der Höhe der Zeit sein.“ Also, neuen Titeln spricht nichts entgegen.

bb

 

Titelbild agd|viertel 2010 Nr. 1[Erstmals veröffentlicht im Februar 2010 im Designmagazin „agd|viertel“ der Allianz deutscher Designer]