Es werden immer mehr: Auf dem Weg zum Designer wählen viele Schulabgänger nicht ein Hochschulstudium, sondern die betriebliche Ausbildung zum Mediengestalter Digital und Print. Wo die Unterschiede liegen und ob sich die diplomierten und die ausgebildeten Designer Konkurrenz machen, erläutert Theo Zintel, Abteilungsleiter Bildungspolitik des Bundesverbands Druck und Medien.
Herr Zintel, warum ist der Ausbildungsberuf des Mediengestalters eingeführt worden?
Bis in die 90er Jahre hinein gab es den Schriftsetzer, den Reprohersteller, den Druckvorlagenhersteller, den Werbevorlagenhersteller und davor noch den Reinzeichner. Uns wurde klar, dass man diese Berufe zusammenführen muss und vor allem: Wir brauchten eine für Jugendliche attraktive Berufsbezeichnung.
Und da sind Sie auf den Mediengestalter gekommen …
Seitdem müssen wir für diesen Beruf keine Werbung mehr betreiben: Im Moment liegen wir bei 11000 Mediengestaltern, die sich in der Ausbildung befinden. Pro Jahr werden circa 4200 neue Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen. Interessant ist, dass es zu etwa 40 Prozent kleine Agenturen und Designstudios sind, die ausbilden. Unsere Erfahrung ist: Wer einmal damit anfängt auszubilden, der hört nicht wieder auf.
In der Ausbildung werden drei Fachrichtungen angeboten: „Beratung und Planung“, „Konzeption und Visualisierung“ und „Gestaltung und Technik“. Wo liegen die Unterschiede?
Die angebotene Fachrichtung hängt vom Ausbildungsbetrieb ab. Druckereien und kleinere Agenturen bilden vor allem im Fachbereich „Gestaltung und Technik“ aus, knapp 82 Prozent der angehenden Mediengestalter sind dort beschäftigt. Der Bereich „Konzeption und Visualisierung“ ist ausschließlich für Werbeagenturen und Designbüros da, weil in diesem Bereich Gestaltungskonzeptionen entwickelt werden. Diese Fachrichtung kommt dem üblichen Studium sehr nahe, hier sind die Überflieger. Im Bereich „Planung und Beratung“, in dem es zum Beispiel darum geht, Budgetplanungen zu erstellen, ist es ähnlich.
Bei der Einführung des Mediengestalters gab es auch Kritik. Wie hat sich die Sicht der Branche auf den neuen Beruf entwickelt?
Die Agenturen und Studios sind traditionell keine klassischen Ausbildungsbetriebe. Ihr Schwerpunkt ist das Design und die Ausbildung läuft eher nebenher. Daher gab es natürlich viele Bedenken und Fragen. Diese Kritik hat sich gelegt. Die Betriebe haben gemerkt, wie wertvoll die neuen Qualitäten sind, die die Mediengestalter in die Unternehmen einbringen.
Welche neuen Qualitäten meinen Sie?
In der Fachrichtung „Planung und Beratung“ war beispielsweise das Geschrei groß als wir in die Prüfungen Fragen zur Kalkulation aufnahmen. Die Auszubildenden sollten nachweisen, dass sie zum Beispiel die gesamten Produktionskosten einer 16-seitigen Broschüre bestimmen können. Die Agenturen waren dagegen – man müsse das nicht können. Brauche man einen Druckpreis, frage man eben die Druckerei. Nachvollziehen konnten die Agenturen den Druckpreis jedoch nicht, weil sie davon keine Ahnung hatten. Drei Jahre später gab es seitens der Agenturen nur noch Lob, da sie durch ihre Mediengestalter eine neue Qualität zur Beurteilung von Druckkalkulationen bekommen haben. Die Agenturen wissen jetzt plötzlich, wie man ausschießt, wie sie eine Seitenbelegung machen oder wie der Anschnitt sein muss.
Wie würden Sie das Verhältnis zwischen studierten und ausgebildeten Designern beschreiben?
Natürlich konkurrieren heute die ausgebildeten Mediengestalter auf dem Arbeitsmarkt auch mit den Designern, die studiert haben. Inzwischen gibt es sehr viele Mediengestalter, die sich selbständig gemacht haben – die Größenordnung liegt etwa bei zwanzig Prozent.
Mancher studierter Designer behauptet, ausgebildete Gestalter seien gut in der Ausführung, das Kreative aber müsse vom Diplom-Designer kommen. Teilen Sie das?
Ich würde das nicht verallgemeinern. Problematisch ist einfach die Sichtweise, wenn sich Diplom-Designer als die allein Kreativen verstehen. Nach dem Motto: Ich mache die innovativen Entwürfe und am Schluss kommt ja noch die Repro, die Technik, die das alles repariert. Wer gut ist, setzt seinen Entwurf sofort richtig um und beachtet alles, was drucktechnisch notwendig ist. Vielfach wird nicht so gearbeitet, im Studium fehlen oft die Basics. Aber es gibt herausragende und nicht so tolle Mediengestalter und es gibt herausragende und nicht so tolle Diplom-Designer. Beide Ausbildungswege haben Vorteile. Ein Beispiel: Meine Tochter studiert Fotodesign. Sie hat viele theoretische Grundlagen. Aber sie hat noch nie in ihrem Studium in zwei Tagen 500 Bilder bearbeitet. Das kommt nicht vor. Mein Sohn, der Mediengestalter gelernt hat, der kann das. Er hat Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag Bilder bearbeitet – dann konnte er es im Schlaf. Praxis wird erst in der Praxis erworben.
Dafür gibt es in der Hochschule mehr Theorie und mehr Raum für Experimente.
So ist es und ich verurteile auch nicht den einen oder anderen Weg. Betonen möchte ich aber: Auch mancher Ausbildungsbetrieb hat täglich seinen Schwerpunkt auf der Konzeption.
Neben dem Mediengestalter gibt es als Ausbildungsberuf ja noch den Gestaltungstechnischen Assistenten …
Der Gestaltungstechnische Assistent ist kein Ausbildungsberuf, da muss man aufpassen. Der Gestaltungstechnische Assistent ist in einigen Bundesländern in einer Zeit geboren worden, in denen wir einen wahnsinnigen Überhang von Schulabgängern hatten. Die Länder waren in der Pflicht, die Jugendlichen, die auf der Straße saßen, abzuholen. Dass man das dann ausgerechnet in einem Bereich gemacht hat, in dem der Bedarf gar nicht so hoch war, ist unglücklich. Der Gestaltungstechnische Assistent ist kein Beruf, sondern eine Vorstufe zu einem Beruf. Es ist eine schulische Qualifikationsmaßnahme. Tarifrechtlich ist ein Gestaltungstechnischer Assistent kein Facharbeiter. Ein Mediengestalter schon.
Das Gespräch führte Boris Buchholz.
[Erstmalig veröffentlicht im September 2009 im Designmagazin „agd|viertel“ der Allianz deutscher Designer]