Es ist ein Paradoxon: Zum einen zeichnet eine ökumenische Jury seit 1992 bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin mit Herzblut und Engagement aus einem hunderte Filme umfassenden Angebot Filmschaffende aus, „die in ihren Filmen ein menschliches Verhalten oder Zeugnis zum Ausdruck bringen, das mit dem Evangelium in Einklang steht, oder die es in ihren Filmen schaffen, die Zuschauer für spirituelle, menschliche und soziale Werte zu sensibilisieren.“ Ein mühevolles Unterfangen, bei dem nicht nur das Sitzfleisch aufs Äußerste belastet wird, sondern auch die seelische Belastbarkeit der Jurorinnen und Juroren – denn ein Großteil des Festivalprogramms ist inhaltlich harter Tobak.
Dieses Jahr zeichneten die sechs Jurymitglieder unter Vorsitz von Angelika Obert die Filme „Cesare deve morire“ (Wettbewerb, auch Goldener Bär für den besten Film), „Die Wand“ (Panorama) und „La demora“ (Forum) aus.
Will man allerdings etwas oder sogar mehr über den Ökumenischen Filmpreis der Berlinale wissen, will man lernen, mit welchen Begründungen die Auswahl erfolgt ist, wird es schwierig. Auf der Internetseite der Evangelischen Kirche Deutschlands werden die Gewinner des ökumenischen Preises verschwiegen. Ähnlich ist der Umgang mit dem Filmpreis auf der Webseite der Landeskirche: Gerade einmal eine Pressemitteilung auf das Engagement der Kirchen auf der Berlinale hat es in das Onlineportal der Berliner Protestanten geschafft – eine Pressemitteilung, die geschrieben wurde, bevor die diesjährige Berlinale überhaupt begann.
Bei den Katholiken ist der Preis ebenso wenig publiziert: Wenn man auf www.katholisch.de das Stichwort „Filmpreis“ eingibt, wird kein einziger Treffer angezeigt. Fündig wird man erst auf den Seiten der beiden offiziellen Organisatoren des Ökumenischen Filmpreises: die katholische World Catholic Association for Communication aus Brüssel und die Internationale kirchliche Filmorganisation mit Sitz im Frankfurt am Main.
Filmpreis an erster Stelle
Zwei Weltkirchen loben gemeinsam auf dem nach Cannes zweitgrößten Filmfestival der Welt einen Filmpreis aus, besetzen die Jury sehr kompetent, durchforsten das umfangreiche Filmprogramm mit großer Mühe, küren drei würdige Preisträgerfilme – und sprechen dann nicht über ihre Arbeit.
Dabei gäbe es viel zu erzählen. Zum Beispiel über den Film „Die Wand“, einer Verfilmung des Romans von Marlen Haushofer. Filmemacher Julian Roman Pölsler sagte nach der Verleihung des Ökumenischen Filmpreises: „Es gibt keine Filme von mir, in denen nicht der Glaube zentrales Thema ist.“ Auf die Frage, welche Bedeutung der Preis für ihn habe, antwortete er: „Dieser Preis der Ökumenischen Jury ist natürlich eine große Hilfe beim Verkauf. Dieser Film soll helfen, dass die Stimmen von Frauen, die gezwungen sind, hinter Wänden zu leben, gehört werden.“ Durch den Preis der ökumenischen Jury würden diese Stimmen nun lauter wahrgenommen werden.
Übrigens misst die Berlinale dem Preis der Ökumenischen Jury einen hohen Stellenwert zu: In der Liste der unabhängigen Jurys steht sie an erster Stelle. Zeit, dass die Kirchen das wahrnehmen.
[Erstmals veröffentlicht in den Paulus Blättern April, 2012]